Liebe Leserin, lieber Leser,
liebe Freunde der Castringius Stiftung,
In dieser Ausgabe berichten wir unter anderem über die ersten Erfolge unseres ganzheitlichen Förderprogramms „Eine Note besser!“, das seit Herbst 2015 an einer Modellklasse erprobt wird und deren Kinder durch die gesamte Grundschulzeit begleiten wird. Man wird den Kindern nicht gerecht, wenn man nur einen Aspekt ihrer Biografie oder Herkunft herausgreift. Sie verdienen immer eine Gesamtschau ihrer Kompetenzen und Fähigkeiten und eine darauf abgestimmte Förderung.
Dennoch wollen wir einen Blick auf die Vielfalt der Kinder in dieser Klasse werfen. Sie ist so keine Ausnahme, sondern Realität an vielen Münchner Grundschulen.
21 Kinder – 21 Biografien
Von 21 Kindern in der für das Projekt ausgewählten Modellklasse haben 17 einen Migrationshintergrund. Durch die Eltern sind 15 Nationen in der Klasse vertreten: Pakistan, Türkei, Polen, Kroatien, Marokko, Bosnien, China, Sri Lanka, Tschechien, Spanien, Kosovo, Rumänien, Irak, Brasilien, Deutschland.
Für sechs Kinder ist Deutsch ihre Muttersprache, 16 von ihnen wachsen zwei-/dreisprachig auf. Neun Kinder können schon lesen – vier davon fließend, fünf haben das Prinzip, dass die Buchstabenlaute zu einem Wort verbunden werden müssen, verstanden; zehn Kinder haben Defizite im Verstehen und Sprechen der deutschen Sprache, sieben davon deutliche. Drei Kinder haben Artikulationsstörungen, sechs grafomotorischen Förderbedarf und bei neun ist die Konzentrationsfähigkeit auffallend schwach ausgeprägt.
Wie unterschiedlich die elterliche Förderung ausfällt, machen Zahlen deutlich, die Harun Lehrer kürzlich in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung genannt hat. Er ist einer der wenigen Münchner Lehrer mit Migrationshintergrund und Konrektor an einer Mittelschule; wir haben ihn im Rahmen eines gemeinsames Projekts mit dem Münchner Lehrerinnen- und Lehrerverband kennen und schätzen gelernt: Laut einer Untersuchung wurde Kindern in bildungsfernen Familien bis zur ersten Klasse rund 20 bis 30 Stunden vorgelesen, Kindern aus bildungsnahen Familien bis zu 1.700 Stunden.
Lehrer brauchen Unterstützung
Wie soll eine einzelne Lehrerin – an Grundschulen sind über 90 Prozent der Lehrkräfte Frauen – angesichts einer derartigen Heterogenität allen gerecht werden? Wie kann es ihr gelingen, dass sich die einen nicht langweilen und die anderen nicht auf der Strecke bleiben? Ein Förderprogramm wie das unsrige kann hier (nur) einen Anstoß geben, praxisorientiert und nachvollziehbar aufzeigen, was möglich wird, wenn Kinder umfassend und individuell gefördert werden.
In der Grundschule werden entscheidende Weichen für die gesamte Schulkarriere gelegt – und langfristig auch für die Lebens-, Bildungs- und Berufschancen der Kinder. Mangelnde Sprachkenntnisse etwa führen zwangsläufig zu schlechten Noten und nicht selten zu Schulabbrüchen. Eine Ausbildungsstelle rückt damit in weite Ferne.
Wir sind nicht die einzige Stiftung, die erfolgreich Wege erprobt und beschreitet, die die Bildungs- und Lebenschancen von Kindern und Jugendlichen dauerhaft verbessern. Mit vielen von ihnen stehen wir in regem Austausch. Bei all unserem Engagement werden wir aber die Kommunen und den Freistaat nicht aus deren bildungspolitischer Verantwortung entlassen. Sie müssen die Ressourcen für die Schulen, die Lehrer und nicht zuletzt für die Schülerinnen und Schüler deutlich aufstocken.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihre Christa Castringius & Frank Enzmann
fördern.
Eine Note besser!
Wie bereits mehrfach berichtet, ist dieses Projekt für die Castringius Kinder & Jugend Stiftung München etwas ganz Besonderes: „Eine Note besser!“ wurde von Frank Enzmann, dem Vorstand der Stiftung, angeregt und gemeinsam und mit bewährten Partnern wie der Stiftung Gesellschaft macht Schule konzipiert und auf den Weg gebracht. So entstand ein ganzheitliches Förderprogramm, das Grundschüler über die gesamte Grundschulzeit begleitet. „Eine Note besser!“ will eine Basis schaffen, mit deren Hilfe es den Schülerinnen und Schülern gelingt, die Schullaufbahn mit einem Abschluss zu beenden und so die notwendigen Voraussetzungen für eine Ausbildung zu erwerben, für lebenslanges Lernen und für gesellschaftliche Teilhabe.
Seit Herbst 2015 läuft ein erster Modellversuch an einer Grundschule in München-Giesing. Die konkrete Ausgestaltung des Konzepts erfolgt in enger Abstimmung mit den Lehrkräften und orientiert sich am individuellen Bedarf der Kinder. Die ausgewählte Klasse spiegelt nahezu idealtypisch die breite Palette an Fähigkeiten und Kompetenzen wider, mit denen Lehrkräfte in sozial belasteten Gebieten konfrontiert sind.
Um die Wirkung dieses Förderprogramms messen und belegen zu können, wurde in enger Abstimmung mit der Klassenleitung und in Anlehnung an den „Lehrplan plus“ ein Raster entwickelt. Es erfasst die Entwicklungen in den Bereichen:
- sozial-emotionale Kompetenzen,
- allgemeines Lern- und Arbeitsverhalten
- sowie fachspezifische Kompetenzen z.B. in Deutsch und Mathematik.
Ergänzend werden Erhebungen durchgeführt, die auch die Veränderungen im Klassenklima systematisch dokumentieren. So kann sowohl die Entwicklung der Kinder als auch die Wirkung auf den gesamten Klassenverbund wirkungsorientiert dargestellt werden. Ebenso wird eine gezielte Weiterentwicklung und Anpassung des Förderprogramms unterstützt und ein späterer Transfer des Projekts auf andere Schulen oder die Übernahmen durch andere Träger ermöglicht.
Erfolgreiche Halbzeitbilanz
Anfängliche Bedenken, dass zu viele Bezugspersonen neben den Lehrern bei den Kindern für Verwirrung und Unruhe sorgen könnten, erwiesen sich als unnötig. Genau das Gegenteil war der Fall: Da die Kinder durch das Mehr an Personen auch individuell mehr Aufmerksamkeit erhielten, waren sie entspannter und geduldiger. In der Klasse herrscht auch aus diesem Grund eine außergewöhnlich harmonische und ruhige Arbeitsatmosphäre, Konflikte werden mithilfe des Ich-Du-Wir- Trainings und von individuellem Coaching – beides Bestandteile des Projekts – rasch bearbeitet, die Klassengemeinschaft hat sich gefestigt und es gibt keine Außenseiter.
Bei den Schülerinnen und Schülern haben sich insgesamt sowohl ihre sozial-emotionalen und fachspezifischen Kompetenzen als auch ihr Lern- und Arbeitsverhalten verbessert. Selbst bei Kindern, die zunächst auf ihrem Entwicklungsstand stehengeblieben waren, werden erste positive Auswirkungen sichtbar.
Die Klassenleitung beurteilt das Projekt außerordentlich positiv. Sie empfindet das Programm als wertvolle Unterstützung, die ihren Unterricht und die Betreuung der Klasse erleichtert und verbessert. Auch von Seiten der Eltern gibt es eine große Zufriedenheit mit dem Projekt. Sie berichten, dass ihre Kinder gerne in die Schule gehen, sich mehr zutrauen und sich besser ausdrücken können. Ein Elternpaar beschreibt das so: „Unsere Tochter ist sprachgewandter, interessiert an Neuem, kann sich besser an Regeln halten und ist emotional ausgeglichener.“
Für eine ausführliche Dokumentation der ersten beiden Projektjahre nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf.
Togetthere-Xperience
Zusammenkommen, austauschen, erleben – Das Museum als Ort für gesellschaftlich relevante Themen: Unter diesem Motto hat die Pinakothek der Moderne anlässlich ihres 15-jährigen Bestehens zu Togetthere-Xperience eingeladen und 7.200 Besucher sind ihr gefolgt. In interaktiven Talks, Workshops und neuen Formaten wurden vor den Kunstwerken, im Raum der Kunstvermittlung sowie auf der großen Treppe im Eingangsbereich aktuelle, soziale Themen erörtert und erfahrbar gemacht.
Fotos: Falk Kagelmacher
vermitteln.vernetzen.
JuKi – Da will ich hin! Diesem Motto folgten bei strahlendem Herbstwetter fast 6.000 Besucher. Wie immer konnten die jungen Besucherinnen und Besucher unterschiedlichste Aktivitäten ausprobieren und die Erwachsenen die Macher dahinter kennenlernen. Wer es lieber weniger aktiv wollte: Auf mehreren Bühnen präsentierten Künstler ihr Können; das Spektrum reichte dabei vom Kinderchor der Bayerischen Philharmonie über die „Munich Dance Kids“ und ihr fetziges Street Dance bis hin zu einem Chor, in dem Kinder und Jugendliche aus einer Flüchtlingsunterkunft im Münchner Osten zusammengefunden haben. Die neue Event-Location auf dem Werk5 öffnete exklusiv für die Besucher des JuKi-Festivals ihre Pforten. Neben einer wunderbaren Panoramaaussicht konnten die Besucher der Dachterrasse auch eine Wiese bestaunen, die dort heranwächst. Sie wird demnächst von Schafen gepflegt werden, und auch Obstbäume, Hühner, Enten und Bienen finden zukünftig hoch über dem Werksviertel ein Zuhause. Die Stiftungen BayWa, Otto Eckart und Horst Rohde werden das neue Biotop nutzen, um ökologische Projekte mit Kindern durchzuführen, die ihnen die Natur in der Stadt näherbringen.
zwei:eins – Der Münchner Preis für Kunst
Die Preisträger 2017 stehen fest: Es ist das Künstlerduo Kitti & Joy, sie überzeugten mit ihrem Projekt „It´s all about the legend“. Frech, hintersinnig und mutig thematisieren die beiden Künstlerinnen das Spannungsfeld zwischen Kunst, Werk, Künstler/-in und Öffentlichkeit. Als Projektpartnerin holten sie die Artmanagerin Mon Müllerschön ins Boot, die große Konzerne wie den Burda-Verlag und wohlhabende Sammler und Sammlerinnen betreut und daher mit einer Branche vertraut ist, die „ähnlich wie die der Kunstproduktion mit einer eigenen Sprache, eigenen Konventionen und eigenen Spielregeln funktioniert“. Die Preisverleihung findet am 29. November 2017 in der Akademie für Bildende Kunst statt. An diesem Abend informieren auch Alexis Dworsky und sein Projektpartner Andreas Ruby über den Fortschritt der Realisierung ihrer Projektidee „Urban- Trimm-Dich“, die 2016 ausgezeichnet wurde. www.zweizueins-kunstpreis.de
Geberkonferenz 2017
„Die Geberkonferenz ist eine vorbildliche Netzwerkarbeit, die uns als ehrenamtliche Initiatoren die Arbeit auch in möglichen Kooperationen sehr erleichtert. Der entspannte Rahmen und die ausgezeichnete Vorstrukturierung ermöglichen ein vorbildliches Zusammenspiel.“
„Ich finde das Format unheimlich ansprechend, fand die Begleitung durch die Moderatorin und das gesamte Team sehr gut und tatsächlich konnten wir ganz konkret etwas anstoßen, das aktuell „in Bearbeitung“ ist.“
„Eine gute Aktion war das, Ihre Geberkonferenz, um die dringend notwendige Verknüpfung und Einbindung dieser sozialen Engagements und Projekte in eine breitere Gesellschaft zu ermöglichen. Wir müssen gemeinsam Wege finden, um all diese Projekte einer größeren Öffentlichkeit und auch die von Ihnen bearbeiteten Zustände bekannt zu machen, und dazu haben Sie mit der Konferenz einen gelungenen Beitrag geleistet.“
Diese Stimmen stehen stellvertretend für viele ähnliche Kommentare im Anschluss an die Geberkonferenz 2017, die sich ausschließlich Frauen- und Mädchenprojekten in München widmete. Bereits im Laufe des Abends gab es von Seiten der Geber erste Spendenzusagen – alleine eine der anwesenden Geberstiftungen bedachte drei Organisationen mit jeweils 2.000 Euro – ebenso wurden viele neue Kontakte geknüpft, die von den jeweiligen Partnern direkt weiterverfolgt werden. Was uns besonders freut, ist, dass Gäste der Geberkonferenz auch bereit waren, ihr Netzwerk zu aktivieren, um weitere Unterstützer für die Projekte zu gewinnen.
www.geberkonferenz-muenchen.de
Termine – Save the Date
Donnerstag, 26. Oktober 2017
Kinder.Stiften.Zukunft München 2017
Thema :Vernetzte Kommunikation – Vernetztes Wirken
Mittwoch, 29. November 2017
Preisverleihung zwei:eins – Der Münchner Preis für Kunst
Akademie der Bildenden Künste, Akademiestraße